Begegnung

SIE: Verfolgen sie mich etwa?
ER: Nein, weshalb? Ich will nur zum Inder hier.
SIE: Gerade eben sind wir uns aber doch entgegen gekommen, nicht? Auf der Hauptstraße. Jetzt gehen sie in meine Richtung.
ER: Aber doch nicht hinter Ihnen her. Wie kommen Sie darauf?
SIE: Weil sie so nah gekommen sind, hinter mir. Sie laufen geradezu auf.
ER: Vielleicht weil Sie so langsam sind. Ich wollte gerade überholen. Aber anscheinend bin ich Ihnen aufgefallen, beim Entgegenkommen.
SIE: Sie haben einfach die Richtung gewechselt. Dann sind sie in dieselbe Straße abgebogen wie ich.
ER: Ich hatte mich vertan. War in Gedanken.
SIE: Aus denen habe ich Sie wohl herausgerissen.
ER: Wünschen Sie, dass es so wäre?
SIE: Nicht, wenn Sie in diesen schäbigen Laden wollen. Ich kenne einiges, das besser ist. Und preislich dasselbe – Ihr Schirm –
ER: Was ist damit?
SIE: Sie halten ihn ganz komisch, es tropft ja alles auf mich.
ER: Sie haben doch selber einen Schirm.
SIE: Ja, aber Ihrer stößt genau davor, sodass ich ganz nass werde.
ER: Ich dachte, das steht Ihnen.
SIE: Sehr witzig. Haben Sie nichts zu erzählen?
ER: Wir kennen uns ja nicht. Außerdem höre ich Ihnen lieber zu.
SIE: Ich schweige zu viel, in letzter Zeit. Am liebsten würde ich die Stadt verlassen, wenn es im Winter regnet.
ER: Wie lange leben Sie schon hier?
SIE: Seit ein paar Jahren. Ich habe sie nicht gezählt.
ER: Ich will Sie übrigens nicht aufhalten.
SIE: Also gehen wir besser –
ER: Etwas essen? Wie heißen Sie?
SIE: Ich glaube, Sie haben mich doch verfolgt.
ER: Nur weil Sie es so gewollt haben.
Valivarius - 1. Feb, 17:09

@pl

Die Kommunikation selbst, d.h. wie sie läuft, gefällt
mir. Welche Bedeutung der Inder haben soll, wird
mir nicht klar. Gefallen hat mir die Sache mit dem
Schirm. Allerdings kann mich der Eindruck der
auf nichts hinauslaufenden Alltäglichkeit nicht
verlassen (dieser Punkt ist natürlich umstreitbar,
denn mancher meint: da die Wirklichkeit an sich
wirklich auf nichts hinausläuft, wäre jede Ausdrucksform,
die ihr eine Gerichtetheit aufzwingt gekünstelt.
Ich ergänze, dass es Tiefen gibt, die unserem
Bewusstsein in dieser Alltäglichkeit entgehen und
dass man diese stark machen könnte ohne zu künsteln).
Vielleicht ließen sich einzelne Sätze
aufladen. Der Inder könnte mehr bedeuten,
dieses überreflektierte Darlegen könnte noch ein
bisschen weiter getrieben werden und den Schirm
würde ich noch etwas weiter spannen, ohne in
natürlich zu zerstören. Denn letztere Metapher
scheint mir auf den ersten Blick sehr ausbaufähig.
So viel zu meinen Eindrücken und Tipps.

Gruß, VV

Pierre Lachaise - 14. Feb, 00:50

@valivarius

das hier ist eben eine dieser skizzen von etwas, das einem manchmal kurz - eben aus irgendeiner diffusen altäglichkeit heraus - in den kopf schießt. es verglüht sehr schnell, deswegen hält man es nur spärlich fest, und später erscheint alles tasächlich entweder nichtssagend oder ausbaufähig oder beides - danke jedenfalls für deinen klugen kommentar. der inder soll son restaurant an der ecke sein, ich weiß nicht, ist das so unklar?

Valivarius - 14. Feb, 20:35

@pierre

Ehrlich gestanden: zuerst hatte ich den Eindruck eines "Ladens" im eigentlichen Sinne im Kopf. Du hast aber Recht: Das Folgende macht es nicht gerade sinnvoll den "Laden" als Lebensmittelladen anzusehen.
Was du meinst kenne ich: Manche Alltäglichkeit wird aus irgendeinem Grunde, den man vielleicht gar nicht versteht, sondern vielmehr fühlt, plötzlich bedeutungsvoll. Darum will man sie auch notieren, um später dieses Gefühl wieder an ihr als am Leitfaden hervorrufen zu können. Was mir da leicht passiert, ist aber Folgendes: Ich kriege das Gefühl, vor allem wenn die Geschichte ganz frisch notiert ist, ohne Schwierigkeiten wieder "hoch", aber das ist, weil ich noch die gesamte Situation in ihrer Wirklichkeit im Kopf habe und nur eine Anregung brauche, d.h. ich ergänze das Geschriebene um ein ungeschriebenes X und merke es meist nicht einmal. Und da fängt der schmerzhafte Part irgendwann an: Nach und nach stellt sich die Frage, ob das Geschriebene dieser Situation entspricht und meist bringt mich gerade diese Phase zur Verzweiflung, weil ich merke, dass die Figuren gekünstelt wirken, dass sie gerade das heraussprechen, was sie vielmehr leben sollten, etc. Aber ohne diesen Prozess zu durchlaufen muss man sehr viel Glück haben beim ersten Wurf, das glaube ich auch. Was ich damit sagen wollte, wird mir selbst immer weniger klar, aber es ist auch irgendwie blöd so viel Geschriebenes nur zu löschen. Vielleicht willst du dich ja darüber etwas unterhalten. Wenn nicht, dann sieh es als eine Reflexion von mir über meine eigenen Schwierigkeiten, die ich hier so unverschämt lose an deine Geschichte drangehängt habe. ^^

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