Ueberarbeitung der "Papa-Geschichte" aus dem Virtuellen Seminar, Allgemeine Texte 3
@ANH: besten Dank fuer die Kommentare! Ich habe versucht, sie zu beruecksichtigen. Das Ende ist immer noch offen, aber hoffentlich "runder". Zur "Dickung": dies ist ein Begriff aus der Forstwirtschaft und mir von zu Hause her gelaeufig, dasselbe gilt fuer "Schonung" (jetzt in der Ueberarbeitung): gemeint ist ein dichtes, angelegtes Nadelwaeldchen - die Baeume stehen sehr dicht, die Zweige ueberlappen sich. Falls die Woerter zu gesucht oder speziell sind, koennte ich sie auch durch andere ersetzen.
Hier nun die ueberarbeitete Fassung:
Nur wenn er schießt, ist Papa ruhig. Rumpf und Arm bilden einen rechten Winkel; Papa zielt, ohne zu zittern, ohne zu schwanken.
Die gemeinsamen Mahlzeiten - das Frühstück, das Mittagessen, das Abendessen - sind am schlimmsten. Unsere Blicke weichen aus, wir wollen Papas Hände nicht sehen, wollen nicht sehen, wie ihr Zittern Wellenringe in der Teetasse wirft, nicht sehen, wie an den Zinken die Wurstscheibe wackelt. Ich fixiere einen Punkt an der Wand, knapp über der Stuhllehne, doch die Ohren lassen sich nicht schließen: "Scheiße!", zischt Papa hinein in das Schweigen.
Er trifft immer ins Schwarze. Als wir die Schussschneise abschreiten, kann ich bereits aus der Ferne die durchlöcherte Schießscheibe erkennen. Im Lehmwall stecken die Kugeln, ich kratze sie heraus und Papa steht daneben. Wir sind die ersten am Schießstand. Obwohl wir allein sind, nehmen wir den Hörschutz nicht ab.
Wenn das Schweigen unerträglich wird, fange ich an zu zählen: eins, zwei - "Scheiße!" Selbst am Küchentisch trägt Mama Schürze. "Was hat er?" "Dein Vater ist krank, du mußt jetzt ganz lieb zu ihm sein." Er legt sich längs auf die Küchenbank und schläft sofort ein. Wir bemühen uns, beim Abwaschen keinen Lärm zu machen. Auf der schmalen Bank, wirkt Papa verkleinert, fast friedlich, wie je schnurrt sein Schnarchen durch das Geschirrklappern.
Ich wünsche mir einen Hörschutz für die gemeinsamen Mahlzeiten. Die Kugeln bürste ich sauber und fülle sie in Plastiksäckchen, zentnerschwer lagern die zerplatzten und verbeulten Geschosse im Keller. Seit sie einen Kranken im Haus hat, bindet Mama die Schürze nicht mehr ab. "Was ist los mit dir?", murmele ich, als ich die Kugeln aus dem Lehm kratze. Papa steht daneben und hört mich nicht.
Er zieht mich hinter sich her, beim Auto bleibt er stehen: "Wir müssen reden!" Er zieht mich weiter, hinein in die Dickung, die feuchten Tannenzweige schlagen uns ins Gesicht, erst auf einer kleinen Lichtung halten wir an. Unsere Gesichter sind rot und erhitzt. Papa sitzt vor mir im ausgebleichten Gras und zittert und schwankt. In der Ferne krachen Schüsse, ihr Echo hallt durch die Schonung. "Komm", sage ich, "die anderen sind da!" Ich gehe los. Ich schaue mich nicht um.
Ich kauere am Heck, horche auf das Echo der Schüsse. Eins. Zwei. Die Kugeln in den Taschen ziehen die Jacke zu Boden. Die Reifen der eintreffenden Autos rollen langsam über den knirschenden Splitt. Immer öfter krachen die Schüsse. Irgendwann, nach sehr langer Zeit, kommt Papa aus dem Wald.
Hier nun die ueberarbeitete Fassung:
Nur wenn er schießt, ist Papa ruhig. Rumpf und Arm bilden einen rechten Winkel; Papa zielt, ohne zu zittern, ohne zu schwanken.
Die gemeinsamen Mahlzeiten - das Frühstück, das Mittagessen, das Abendessen - sind am schlimmsten. Unsere Blicke weichen aus, wir wollen Papas Hände nicht sehen, wollen nicht sehen, wie ihr Zittern Wellenringe in der Teetasse wirft, nicht sehen, wie an den Zinken die Wurstscheibe wackelt. Ich fixiere einen Punkt an der Wand, knapp über der Stuhllehne, doch die Ohren lassen sich nicht schließen: "Scheiße!", zischt Papa hinein in das Schweigen.
Er trifft immer ins Schwarze. Als wir die Schussschneise abschreiten, kann ich bereits aus der Ferne die durchlöcherte Schießscheibe erkennen. Im Lehmwall stecken die Kugeln, ich kratze sie heraus und Papa steht daneben. Wir sind die ersten am Schießstand. Obwohl wir allein sind, nehmen wir den Hörschutz nicht ab.
Wenn das Schweigen unerträglich wird, fange ich an zu zählen: eins, zwei - "Scheiße!" Selbst am Küchentisch trägt Mama Schürze. "Was hat er?" "Dein Vater ist krank, du mußt jetzt ganz lieb zu ihm sein." Er legt sich längs auf die Küchenbank und schläft sofort ein. Wir bemühen uns, beim Abwaschen keinen Lärm zu machen. Auf der schmalen Bank, wirkt Papa verkleinert, fast friedlich, wie je schnurrt sein Schnarchen durch das Geschirrklappern.
Ich wünsche mir einen Hörschutz für die gemeinsamen Mahlzeiten. Die Kugeln bürste ich sauber und fülle sie in Plastiksäckchen, zentnerschwer lagern die zerplatzten und verbeulten Geschosse im Keller. Seit sie einen Kranken im Haus hat, bindet Mama die Schürze nicht mehr ab. "Was ist los mit dir?", murmele ich, als ich die Kugeln aus dem Lehm kratze. Papa steht daneben und hört mich nicht.
Er zieht mich hinter sich her, beim Auto bleibt er stehen: "Wir müssen reden!" Er zieht mich weiter, hinein in die Dickung, die feuchten Tannenzweige schlagen uns ins Gesicht, erst auf einer kleinen Lichtung halten wir an. Unsere Gesichter sind rot und erhitzt. Papa sitzt vor mir im ausgebleichten Gras und zittert und schwankt. In der Ferne krachen Schüsse, ihr Echo hallt durch die Schonung. "Komm", sage ich, "die anderen sind da!" Ich gehe los. Ich schaue mich nicht um.
Ich kauere am Heck, horche auf das Echo der Schüsse. Eins. Zwei. Die Kugeln in den Taschen ziehen die Jacke zu Boden. Die Reifen der eintreffenden Autos rollen langsam über den knirschenden Splitt. Immer öfter krachen die Schüsse. Irgendwann, nach sehr langer Zeit, kommt Papa aus dem Wald.
maudit - 16. Mai, 19:57
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