der fleck
ein weiß auf schwarzem spannbettlaken
dem wir erlagen wir verschwammen
die reinen
sekrete die sich mischten
und erfrorn.
dem wir erlagen wir verschwammen
die reinen
sekrete die sich mischten
und erfrorn.
herr_urian - 22. Jun, 14:51
11 Kommentare - Kommentar verfassen - 559 mal gelesen
@ Herr_Urian
Jaja, diese Flecken. ;)
Und jetzt zum Gedicht:
Ich beginne mit Formalem, das mir auffällt und
dann versuche ich das ein oder andere zum Inhalt
bzw. meiner Interpretation des Gedichts zu sagen.
Du verwendest drei "Sinneseindrücke":
Die kontrastierenden Farben Schwarz und Weiß,
sowie die Empfindung der Kälte.
Es gibt den Binnenreim (ist der Begriff hier angemessen?
Wie sollte man es sonst nennen?) von '-laken' und '-lagen',
der mir ohne Angabe von Gründen gefällt.
Auch 'SCHWArzem' und 'verSCHWAmmen' ist eine
Alliteration (auch das 'spann-' alliteriert).
Zusammen genommen bildet sich
ein Chiasmus. Ich finde diesen sehr gelungen,
da er das vermischen syntaktisch zum Ausdruck bringt.
Weniger schön finde ich das synkopierte 'erfrorn' -
es will sich für mich nicht ins Gesamtbild fügen,
auch wenn klar ist, was gemeint ist.
Auch das 'mischten' scheint für mich eher unpassend
und ich glaube, wenn sich das metrisch einrichten ließe,
wäre 'vermischten' vorzuziehen, da die Sekrete sich
ja mit dem Schwarz des Lakens vermischen und
nicht in sich selbst mischen. So zumindest mein
semantisches Empfinden.
Was 'reinen' angeht bin ich unsicher:
Einerseits werden sie ja durch das Schwarz verunreinigt
in ihrer Weißheit und gehen auch, wie man erfährt,
daran zugrunde. Allerdings klingt es dennoch irgendwie,
hm, fehl am Platz. Ich kann das nicht weiter erläutern
aber das Wort sticht hervor.
Dann weiß ich nicht, ob 'Sekrete' nicht zu offensichtlich
ist, vielleicht kannst du das Ganze stärker verrätseln,
ohne diesen Bezug zu verlieren aber dennoch etwas
an Raum dabei gewinnen.
Nun zum Inhalt: Schön ist die Perspektive, die du
in Zeile 1 und 2 einnimmst, aus der Sicht der "weißen
Männchen". Sie sehen dieses Schwarz vor sich, sie
'verschwimmen', d.h. schwimmen auseinander;
gleichzeitig verschwimmt auch ihr konzentriertes
'weiß' und sie gehen (wie es immer kommen muss,
wenn etwas dorthin kommt, wo es seiner Natur nach
nicht hin soll) daran zugrunde.
Weshalb ich 'Sekrete' im inhaltlichen Rahmen nicht
für sonderlich gelungen halte ist folgendes:
Das Gedicht eröffnet für mich einen zweiten Raum,
der sich von dieser "Alltagserfahrung" löst und
ein Phänomen beschreibt, wie es zwischen Menschen
sehr gut zu beobachten ist. Aber die 'Sekrete' drängen
sofort und sehr stark (weil der Leser bestimmte
Prototypen im Kopf hat) zurück.
Auch kann ich die Metrik der Zeilen 3-5 nicht
als sehr stark empfinden, aber eventuell bedarf
es weiterer Lektüre.
Was jedenfalls nach dem geschilderten Prozess zurückbleibt
ist 'der fleck' und das ist die Überschrift.
Das finde ich besonders gelungen, denn die Überschrift
ist das Einzige, was der Mensch in der Regel "sieht",
den Rest hast du als das zugehörige Gedicht wie
gesagt einfühlsam beschrieben.
Das Gedicht gefällt mir insgesamt sehr gut.
Was mich nun interessieren würde:
Hast du einen doppelten Sinn beabsichtigt und, wenn ja
und wenn es nicht gegen deine Regeln verstößt, könntest
du mir einen Wink in die Richtung geben, damit ich
weiß, ob ich mit meiner Vermutung recht liege?
Gruß, ValiVarius
PS: Das hatte ich noch vergessen: Wieso der Wechsel
von 'wir' zu 'die'? Mich persönlich zwingt es aus der
'wir'-Perspektive in die Betrachterperspektive zu wechseln.
Ist das beabsichtigt?
@Varius
wir germanisten würden soetwas wohl "paronomasie" nennen: den gleich- oder ähnlichklang von wörtern verschiedener semantischer herkunft.
eile mit weile!
@Valivarius
Die Synkope habe ich gewählt, weil mit den Sekreten auch das Gedicht erfrieren soll. Es wäre mir rhythmisch wichtig, das so beizubehalten.
Zum "Reinen": Das evoziert natürlich Vorstellungen von Reinheit; das soll kurz gehalten werden, "reinen" dann als Epitheton von "sekreten" aber wieder relativieren.
Deine Kritik meiner Wortwahl ("Sekrete") korreliert mit deiner letzten Frage. Ich will eigentlich eine Art Zoom erreichen, erst auf die beiden Menschen, dann zurück auf das "Ding" (hier die Sekrete), das sich schließlich beobachten lässt und in dem sich das Ende der Zweisamkeit zeigt - so ungefähr.
Edit: mischen- vermischen, hatte ich noch vergessen. Ich bin mir nicht sicher, ob mischen nicht einen aktiven Mischer impliziert, während vermischen passivisch bleibt, was hier vielleicht angebrachter wäre. Andererseits ließe ein aktivischeres Verb auch den Rückbezug auf die Menschen, die sich "mischen" zu, der mit "vermischen" eher verloren ginge. Die beiden Bildbereiche sollten bestenfalls etwas - auch wortwörtlich - Fluides bekommen, das erfrieren kann. Aber vielleicht ist der Text dafür zu kurz.