Mann schlägt Frau
Mann schlägt Frau. Ihr Schrei schlitzt die Stille. Ein Fensterflügel knallt ins Rahmenholz. Der Hinterhof ist ein Schallrohr. Die Matratze ein Beet für die Phantasie. Man liegt im Humus, aus feuchter Erde steigen die Bilder auf. Es dröhnt im Fundament, als würde ein Kopf gegen Pfeiler geschlagen. Soll man einschreiten? Jetzt? Nach Mitternacht? Den langen Weg zum Telefon suchen? Durch das Dunkel? Hilfe rufen? Licht schlägt das Gebiß in die Augäpfel und erlischt. Eine Weile rumort es noch in den unteren Etagen. Nun Stille. Sie rühren sich nicht mehr, die Frau verstummt. Wieder später, versöhntes Gestöhn, aus der Erde steigen Kindheitsbilder auf: ein rammelndes Igelpaar, ihr Schnaufen ging sanft am Boden, dort, im elterlichen Rhabarber.
maudit - 26. Mai, 11:19
4 Kommentare - Kommentar verfassen - 476 mal gelesen
hauptsatz an hauptsatz
mir gefallen einige der bilder (schallrohr, beet, humus...), jedoch erschließt sich mir nicht die licht-gebiss-augapfelkette. auch steigen 2 mal bilder aus der erde auf.
und dann: wieso dieser hauptsatzstil? das ende, wo die sätze gebundener sind, liest sich viel angenehmer.
@SHO-SHAN-NAH
Der parataktische Stil ist beabsichtigt, er soll sprachlich der Situation entsprechen: einer liegt auf dem Bett und lauscht in die Nacht und hoert diese schockartigen Gerauesche. Dass der Hauptsatzstil sich immer mehr aufloest, aufweicht, soll den Uebergang in den Schlaf markieren, auf dessen Schwelle das letzte Bild, eine Erinnerung, aufsteigt.
Ueberdenken muss ich in der Tat, ob wirklich zweimal Bilder aus der Erde aufsteigen sollen.
Zum Biss in den Augapfel: Gemeint ist ein kurzes Aufreissen des Lichts, das jemand in den unteren Stockwerken anmacht und wieder loescht. Werde ich ebenfalls nochmals ueberdenken, aber eigentlich gefaellt's mir.
Zur "Erde": W e n n du das Bild wieder aufgreifst, geht, glaube ich, dieser "Im-Traum-versinken" Effekt verloren. Denn dann setzt du Traum und Phantasie, die sich ja auf die wahrgenommenen Geräusche bezieht, gleich. Die Kindheitserinnerung wird dann imaginiert, nicht geträumt. Vielleicht störe ich mich auch daran, dass die Imiginationen des "Zeugen" gerade keinen Traumcharakter haben.