Mann schlägt Frau

Mann schlägt Frau. Ihr Schrei schlitzt die Stille. Ein Fensterflügel knallt ins Rahmenholz. Der Hinterhof ist ein Schallrohr. Die Matratze ein Beet für die Phantasie. Man liegt im Humus, aus feuchter Erde steigen die Bilder auf. Es dröhnt im Fundament, als würde ein Kopf gegen Pfeiler geschlagen. Soll man einschreiten? Jetzt? Nach Mitternacht? Den langen Weg zum Telefon suchen? Durch das Dunkel? Hilfe rufen? Licht schlägt das Gebiß in die Augäpfel und erlischt. Eine Weile rumort es noch in den unteren Etagen. Nun Stille. Sie rühren sich nicht mehr, die Frau verstummt. Wieder später, versöhntes Gestöhn, aus der Erde steigen Kindheitsbilder auf: ein rammelndes Igelpaar, ihr Schnaufen ging sanft am Boden, dort, im elterlichen Rhabarber.
sho-shan-nah - 26. Mai, 11:52

hauptsatz an hauptsatz

hej,

mir gefallen einige der bilder (schallrohr, beet, humus...), jedoch erschließt sich mir nicht die licht-gebiss-augapfelkette. auch steigen 2 mal bilder aus der erde auf.

und dann: wieso dieser hauptsatzstil? das ende, wo die sätze gebundener sind, liest sich viel angenehmer.

maudit - 26. Mai, 14:56

@SHO-SHAN-NAH

Vielen Dank fuer die Kommentare und Fragen.

Der parataktische Stil ist beabsichtigt, er soll sprachlich der Situation entsprechen: einer liegt auf dem Bett und lauscht in die Nacht und hoert diese schockartigen Gerauesche. Dass der Hauptsatzstil sich immer mehr aufloest, aufweicht, soll den Uebergang in den Schlaf markieren, auf dessen Schwelle das letzte Bild, eine Erinnerung, aufsteigt.

Ueberdenken muss ich in der Tat, ob wirklich zweimal Bilder aus der Erde aufsteigen sollen.

Zum Biss in den Augapfel: Gemeint ist ein kurzes Aufreissen des Lichts, das jemand in den unteren Stockwerken anmacht und wieder loescht. Werde ich ebenfalls nochmals ueberdenken, aber eigentlich gefaellt's mir.
herr_urian - 27. Mai, 18:49

Ich denke, für die "schockartigen Geräusche" passen sicherlich die kurzen Sätze. Nur erschließt sich mir nicht ganz, dass der g e s a m t e Anfang Eindrücke des "Ohrenzeugen" sein sollen. "Mann schlägt Frau" ist so unmittelbar, dass ich quasi sofort daneben stehe, zum Beobachter werde, obgleich doch wohl eher Geräusche gemeint sind, die die Interpretation "Mann schlägt Frau" nahe legen. Oder wie meinst du es?
Zur "Erde": W e n n du das Bild wieder aufgreifst, geht, glaube ich, dieser "Im-Traum-versinken" Effekt verloren. Denn dann setzt du Traum und Phantasie, die sich ja auf die wahrgenommenen Geräusche bezieht, gleich. Die Kindheitserinnerung wird dann imaginiert, nicht geträumt. Vielleicht störe ich mich auch daran, dass die Imiginationen des "Zeugen" gerade keinen Traumcharakter haben.
albannikolaiherbst - 9. Jun, 15:52

@Maudit zu „Mann schlägt Frau“.

„Schöner“ Text. Einb paar Kleinigkeiten nur:

Mann schlägt Frau. Ihr Schrei schlitzt die Stille

hierhinter würde ich mit Komma anschließen, um die Unmittelbarkeit der Eindrücke in den Text zu bekommen:

, ein Fensterflügel knallt ins Rahmenholz. Der Hinterhof ist ein Schallrohr. Die Matratze ein Beet für die Phantasie.

: das ist hier entweder zu schwach, oder es stimmt nicht. Was vermutlich daran liegt, daß „Bett für die Phantasie“ eine zu angenehme Assoziation weckt, um mit der Szene mithalten zu können.

Man liegt im Humus, aus feuchter Erde steigen die Bilder auf.

: Verdoppeltes Bild dadurch, daß Sie „Humus“ erklären. Diese Erklärung stört, ich fühle mich da am Ärmel gezupft.

Es dröhnt im Fundament,

:brauchen Sie das?

als würde ein Kopf gegen Pfeiler geschlagen. Soll man einschreiten?

Dieses „soll man einschreiten“ ist ein wenig zu äußerlich, zu distanziert für den Schrecken.

Jetzt? Nach Mitternacht? Den langen Weg zum Telefon suchen?

Vielleicht nur alleine das ziemlich gute „den langen Weg zum Telephon suchen“.

Durch das Dunkel? Hilfe rufen? Licht schlägt das Gebiß in die Augäpfel

:hier knapper. Das „und weg“, einfach nur

und erlischt. Eine Weile rumort

Anderes Wort für „rumoren“, das zu niedlich ist.

es noch in den unteren Etagen. NunDann Stille. Sie rühren sich nicht mehr, die Frau verstummt.

DOPPELTEN ABSATZ!

Wieder später, versöhntes Gestöhn, aus der Erde steigen Kindheitsbilder auf: ein rammelndes Igelpaar, ihr Schnaufen ging sanft am Boden, dort, im elterlichen Rhabarber.

:S e h r gutes Ende!

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