Wir proben Ende November

Zielsicher bröckelt gelbes Laub bodenwärts
errötet und fault nicht
widersteht reiffrei der wirbelnden Einladung des Mistrals
und erhellt nachts meinen Wegrand
als wärs im April in Blüten vom Kirschbaum gegangen
herr_urian - 17. Jan, 14:57

@shoshannah

"Wir proben Ende November" lässt sich leider auch so lesen, als wäre es ein Aufruf, am Ende des Novembers (irgendetwas) zu proben.
Ein weiteres Problem habe ich beim bröckelnden Laub. Das heißt für mich: Das Laub zerfällt, was im Gegensatz zu dessen nachfolgend beschriebenen Vitalität steht.
Bei "wirbelnder Einladung": Meinst du, dass der Mistral "in sich" herumwirbelt und dadurch das Laub einlädt, oder die Einladung, z u wirbeln?

Deine Grundidee finde ich sehr interessant. Ist es Absicht, dass Vers 3 und 5 sich als Hexameter lesen lassen?

sho-shan-nah - 17. Jan, 21:26

ad Herrn Urian

vielen Dank für den Kommentar und die Anregungen!

die "leider"-Lesart ist ja auch, also ebenfalls gemeint, jede nähere Bestimmung habe ich absichtlich aus den Entwürfen gestrichen. Schließlich geht es darum, dass Ende November das Ende des Novembers _nur_ geprobt wird.

Mit dem Bröckeln bin ich auch unglücklich, allerdings impliziert das hier nicht direkt Zerfall, sondern Abbröckeln, wie etwa Steine von einer Felswand. Was gibt es sonst für Wörter, die beschwertes und nicht gänzlich unkoordoniertes Fallen bedeuten?

Leider bin ich keine Windexpertin, aber der Mistral fühlt sich schon sehr wirbelig an, wenn man mal mit der Frisur reingerät, ich meine also die erste von dir angegebene Möglichkeit. Andernfalls wäre der Satzbau auch ein bisschen komisch.

Zum Metrum: keine bestimmte Hexameterabsicht, was nicht heißen soll, dass ich mir keine Gedanken darüber gemacht hätte. :)
Pierre Lachaise - 21. Feb, 12:12

@sho-shan-nah

ich finde dieses gedicht überaus reizvoll, z.B. die rätselhafte doppeldeutigkeit der überschrift im zusammenhang mit der personalisierung des laubs, als werde es in einer zwischenmenschlichen begegnung direkt angesprochen. mit dem "zielsicher bröckelt" im ersten vers habe ich eigentlich kein problem, für mich hat diese wendung in erster linie einen verfremdenden effekt, obwohl die beschreibung ja ziemlich genau ist. apart vor allem, dass "bröckeln" sowohl eine bewegung als auch eine konsistenz (nämlich die trockenheit des laubes) bezeichnet, und somit schon zu anfang eine starke sinnlichkeit in diese verse einspannt.

sho-shan-nah - 8. Apr, 20:15

Ich danke dir für dein freundliches Feedback.
albannikolaiherbst - 7. Apr, 08:28

@Sho-shan-nah zu Wir proben Ende November

Zielsicher bröckelt gelbes Laub bodenwärts
schwieriges Bild, weil „zielsicher” eine Art Geschwindigkeit assoziieren läßt, die dem Bröckeln entgegensteht; außerdem fallen Blätter – sie segeln - an sich nicht in Bröckchen
errötet und fault nicht

weshalb „fault” es nicht, wenn danach doch von „reiffrei” gesprochen wird, also Wärme da ist?
widersteht reiffrei der wirbelnden Einladung des Mistrals

das bedeutet: der Mistral hebt es nicht wieder an. Wie aber das? Schon für Blätter wär solches Widerstreben schwierig, doch als Brösel unmöglich.
Jetzt aber wird das Gedicht stark:
und erhellt nachts meinen Wegrand
als wärs im April in Blüten vom Kirschbaum gegangen

aber brauchen sie das „gegangen”, was ja zumal allenfalls abgegangen meint? Vielleicht den Vers o f f e n enden lassen?

sho-shan-nah - 8. Apr, 20:22

Sehr nett, dass Sie das noch mal so auseinandergenommen haben.
Allerdings frage ich mich, ob die Unnatürlichkeit der beschriebenen Szenerie wirklich gar nicht durchkommt. Man stelle sich vor: Ende November, 18°C, Sonne, und auf einmal fallen gelbe Blätter trotz Wind, als wären sie steinschwer, nach und nach zu Boden und bleiben dort einfach liegen. Da es nicht regnet, verfaulen sie nicht, und rote Blätter habe ich den ganzen Herbst hier unten nicht gesehn.
Benutzt man Bröckeln nicht auch, wenn sich kleinere Steine von einer Felswand lösen?

Über das gegangen kann man sicher nachdenken, jedoch gefällt es mir allein aus rhythmischen Gründen gut.

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