Beginn: plus 1 Dezibel,
Spitzen je nach Dichte,
5 Schichten pro Ton.
Gagaku-Musik „E TEN RAKU“:
4 grosse Tempelglocken,
Gagaku-Schaltung (Originalklang),
Ausgänge parallel.
Beginn, dann Maxima
meistens minus 14.
12.000 Hertz konstant,
Glissando abwärts, um
notierte Frequenz.
Accelerando.
12.000 Hertz konstant,
dekadischer Schalter
(immer ziemlich schnell umgeschaltet,
sodass alle Veränderungen hörbar sind).
Fortsetzung GYODOH- Prozession,
Priesterchor-Einsatz,
ringmoduliert mit IV und gefiltert
(Siehe weitere Angaben).
Pierre Lachaise - 19. Okt, 22:04
Lieber Herr Herbst,
könnten Sie bitte noch "Morgenblick III" lektorieren? Ich wüsste gerne, was Sie von der vorgenommenen Änderung halten. Vielen Dank und mit besten Grüßen,
Pierre Lachaise
Pierre Lachaise - 12. Okt, 00:48
Liebe Seminarteilnehmer,
nun ist es wieder so weit. Sofern Sie nichts anderes hören, bzw. im Aushang lesen, treffen wir uns am bekannten Ort (Computerraum) um 18 Uhr c.t.
Die Buchmesse ist vorüber; ich werde heute wohl die hier im Virtuellen Seminar "angelaufenen" Texte lektorieren; wahrscheinlich spätnachmittags, so daß Sie schon am Abend, spätestens aber morgen, meine Lektorate werden nachlesen können.
Ganz herzlich und auf Mittwoch abend:
Ihr
ANH
www.albannikolaiherbst.de
Am Mannheimer Landgericht wird der Prozess gegen einen bekannten Fernsehmoderator eröffnet, der seine Ex-Freundin brutal vergewaltigt haben soll. Der Fall steht im Zentrum des allgemeinen Medieninteresses, prominente Strafrechtler, Kultursoziologen, Frauenrechtlerinnen haben sich dazu geäußert.
Im Gerichtssaal lässt der Mann, dessen Erscheinung an diesem Tag besonders gepflegt wirkt, über seine Anwälte verkünden, dass er die Aussage verweigere. Alles Relevante sei bereits im Vorfeld gesagt worden: Was damals der Wahrheit entsprochen habe, gelte auch heute noch und könne einzig dazu dienen, ihn zu entlasten.
Die Frau, blond, zierlich, blaue Hose und enges Halstuch, hat gegenüber der Anklagebank platzgenommen. Elf Jahre lang war sie seine Geliebte, hat sich Hoffnungen auf Kinder und eine gemeinsame Zukunft gemacht. Heute liegt sie auf dem Seziertisch der Öffentlichkeitsmaschinerie.
Sobald für ihn gesprochen wird, wendet sie ihren Blick in eine andere Richtung. Er tut dasselbe, wenn von ihr die Rede ist. Den beiden, das spürt man, ist die Gegenwart des anderen so unüberwindlich geworden, dass sie sich nur noch in physischer Abwehr ertragen lässt.
(Wenig später ist in einem Radiokommentar zu hören, das alles gebe einen spannenden Stoff ab. Ein berühmter Kriminalschriftsteller, heißt es, interessiere sich bereits dafür.)
Pierre Lachaise - 10. Okt, 02:19
beim ersten augenaufschlag
die lichtkontur der wolken
blasser rotstich
in den himmel gelächeltes
augustvertrauen
Pierre Lachaise - 3. Okt, 17:54
beim ersten augenaufschlag
die lichtkontur der wolken
blasser rotstich
in den garten getauchtes
augustvertrauen
Pierre Lachaise - 30. Sep, 01:10
Sie trottet hinter dem Rudel, bleibt immer öfter zurück. Sie läßt es geschehen und humpelt ins Unterholz. Wie rauhe Liebkosungen streichen die Fichtenzweige über die Flanken. Ranken ritzen die Haut. Die Hirschkuh erreicht eine kleine, von Dickicht umfaßte Lichtung. Junge Fichten, Ginster, Brombeerhecken. Die Vorderläufe knicken ein, sie sinkt ins Gras. Fliegen umschwirren die triefenden Tränen- und Nasenlöcher. Ein Zucken geht durch das Fell, als irrlichterten Restströme. Der Blick wird leer, wird blind für den schillernden Taumel der Fliegen. Der schwarze Glaskörper wird zum Spiegel. Wolken treiben auf der glänzenden Kugel, Äste, bewegt von der Brise, wischen durchs Bild. Das Lid schließt sich, bleibt einige Herzschläge lang geschlossen, schiebt sich wieder auf. Tief in ihr zieht sich etwas zusammen, ein Muskel, ein Nerv. Die Hirschkuh stöhnt auf. Indessen ist sie weiter in sich zusammen gesackt. Noch einmal bäumt sie sich auf, reckt den Hals, streckt die Vorderläufe, stellt sie auf, doch zu gespreizt: der Stand bricht ein, die Hirschkuh fällt zur Seite, auf Büschel, Halme, Moos. Sie schlegelt. Schaum tritt auf die Lippen. Die Fliegen schwärmen auf, ein zorniges Brummen hebt an wie von einem einzigen, übergroßen Insekt. Die Fliegen wirbeln durch die Sommerluft, beruhigen sich allmählich, lassen sich, eine nach der anderen, nieder. Bloß die Lider kann sie noch rühren, schnappt hin und wieder mit dem Kiefer nach der heißen Luft. Geruch von Erdbeere und Heidekrauft, die herbe Frische des Harzes. Während das kleine Leben auf ihr wimmelt, sinkt die Lichtung unter die Schatten der Wipfel. Noch atmet die Hirschkuh, so ruhig und so tief, wie sie es bisher nicht kannte. Kühl sinkt der Abend herab.
Sie bleibt immer öfter zurück, stakst steifbeinig hinter dem Rudel, ritzt sich die Haut an den Ranken. Sie läßt es geschehen, sondert sich ab, humpelt, nun allein, ins Unterholz, fühlt die Fichtenzweige wie rauhe Liebkosungen über die Flanken streichen. Sie erreicht eine kleine Lichtung, umfaßt vom Dickicht, junge Fichten, Ginster, Brombeerhecken. Dort sinkt die Hirschkuh ins Gras, indem sie die Vorderläufe wie Ellen einklappt; bleibt so. Die Fliegen haben sie bald gefunden, umschwirren die triefenden Tränen- und Nasenlöcher, ein Zucken schüttert durch die sich hebende Decke, als irrlichterten da Restströme, Elektrizität von Fleisch und Fasern. Der Blick leert sich, folgt nicht mehr dem schillernden Taumel, der schwarze Glaskörper wird zum Spiegel, Wolken treiben auf der glänzenden Kugel, Äste, bewegt von der Brise, wischen darüber. Das Lid schließt sich, bleibt einige wilde Herzschläge lang geschlossen, schiebt sich wieder auf. Einen Pulsschlag lang war sie schon ausgelöscht, die Welt draußen; einen Pulsschlag lang sickerten tief drinnen bloß noch die Räusche des Fleisches, staute sich das Blut in den Venen, stockte, wirbelte; Galaxien vergehen, die Wirbel erlahmen, alles drängt nach innen, Impulsion, die Äonen währt, doch immerzu rast. Etwas zieht sich tief unten zusammen, ein Muskel, wie ein gequetschtes Akkordeon, ein Balg, der mißlich tönt, die Hirschkuh stöhnt auf, der Schmerz poltert nochmals wüst durch die Kammern, sie, die indessen weiter, tiefer eingesunken ist, bäumt sich auf, reckt den Hals, streckt die Vorderläufe, stellt sie auf, doch zu gespreizt, als daß der kurzfristige Stand dauerhaft stützen könnte; nun sackt sie nicht mehr, sie stürzt. Die Hirschkuh fällt seitlich um, auf Büschel, Halme, Moos, schlägt mit den Hufen, als träumte sie einen Galopp. Schaum blubbert auf den Lippen; die Fliegen schwärmen auf, ein zorniges Brummen hebt an wie von einem einzigen, übergroßen Insekt; die Fliegen wirbeln durch die Sommerluft, beruhigen sich allmählich, lassen sich, eine nach der anderen, nieder, um von den freigiebig verspritzten Säften zu trinken. Angenehm ist der Hirschkuh der Kitzel, sie kann bloß noch die Lider rühren, schnappt hin und wieder mit dem Kiefer nach der heißen Luft; Geruch von Erdbeere und Heidekrauft, die herbe Frische des Harzes. So verbringt die Hirschkuh einen Nachmittag, der ihr sanft und ewig erscheint, während das kleine Leben auf ihr wimmelt, bis die Lichtung unter die Schatten der Wipfel sinkt. Die Fliegen steigen nach und nach auf und verschwinden. Noch atmet es die Hirschkuh, so ruhig und so tief, wie sie es bisher nicht kannte. Die Kühle des Abends fällt ein wie ein Laken ohne Schwere.
maudit - 21. Sep, 11:02
Am Mannheimer Landgericht wird der Prozess gegen einen bekannten Fernsehmoderator eröffnet, der seine Ex-Freundin brutal vergewaltigt haben soll. Der Fall steht im Zentrum des allgemeinen Medieninteresses, prominente Strafrechtler, Boulevardjournalisten, Kultursoziologen, Frauenrechtlerinnen haben sich dazu geäußert.
Im Gerichtssaal lässt der Mann, ein in die Jahre gekommener Erotiker in Anzug und Krawatte, dessen Körperpflege die Zeit in Untersuchungshaft erstaunliche Dienste erwiesen hat, über seine Anwälte verkünden, dass er seine Aussage verweigere. Alles Relevante sei bereits im Vorfeld gesagt worden: Was damals der Wahrheit entsprochen habe, gelte auch heute noch und könne einzig dazu dienen, ihn zu entlasten.
Auch die Frau, blond, zierlich, blaue Hose und enges Halstuch, ist unerwartet schon zum ersten Verhandlungstag erschienen und hat auf der gegenüberliegenden Seite platzgenommen. Elf Jahre lang war sie seine Geliebte, hat sich Hoffnungen auf Kinder und eine gemeinsame Zukunft gemacht. Heute liegt sie auf dem Seziertisch einer gnadenlosen Öffentlichkeitsmaschinerie.
Wann immer für ihn gesprochen wird, wendet sie instinktiv ihren Blick in eine andere Richtung. Er selbst wiederholt diesen Vorgang, sobald von ihr die Rede ist. Den beiden, das spürt man, ist die Gegenwart des anderen in einer Art höllischen Apotheose so unüberwindlich geworden, dass sie sich nur noch in physischer Abwehr ertragen lässt.
(Kurz zuvor ist in einem Radiokommentar zu hören, das alles gebe einen spannenden Stoff ab. Ein berühmter Kriminalschriftsteller interessiere sich bereits dafür.)
Pierre Lachaise - 17. Sep, 00:44
bei erstem augenaufschlag
der wolken lichtkontur
blasser rotstich
in den himmel gelächelt
in den garten getauchtes
augustvertrauen
Pierre Lachaise - 5. Sep, 01:10
SIE eilt die Schlosstreppe hinab. ER hinterher.
ER. Mein Fräulein, Sie haben diesen Schuh verloren!
SIE. (Indem sie stehen bleibt.)
Unmöglich, ich bin barfuß gekommen. Von Schuhen riet man mir ab.
ER. Darf ich trotzdem probieren?
(Anprobe. Der Schuh ist zu groß.)
Seltsam, allen anderen hat er gepasst.
SIE. Vielleicht ist mir heute die Rettung versagt.
ER. Wir haben getanzt, nicht wahr?
SIE. Sind Sie sich sicher?
ER. Ja, ich erinnere mich – ich war entzückt! Sie trugen einen Schleier.
Ich wählte Sie aus vor allen übrigen.
SIE. Sie wählten die Erstbeste.
ER. Sie sind aus gutem Haus.
SIE. Ich bin arm. Das Kleid war ein Geschenk. Und Tanz, was ist das? Ein
ständiges sich voreinander Verbergen, voreinander Fliehen, nicht?
Wir tanzen, um uns nicht begegnen zu müssen.
ER. Ich verstehe Sie nicht.
SIE. Verzeihung! Es ist sehr schwer, mich zu gewinnen.
ER. Ihren Schuh habe ich schon.
SIE. Aber er passt nicht.
ER. Ja, das ist wahr.
SIE. Darf ich Ihnen folgen?
ER. Ich muss den richtigen Fuß finden. Warten Sie?
SIE. Nein, es ist spät. Es schneit und ich friere.
ER. (Zögert.)
Mein Herz ist an diesen Schuh gebunden: Eine Pflicht, Prinzenpflicht,
die mich auf die Probe stellt. Sie sind schön, leben Sie wohl. (Ab.)
Sie schaut ihm eine Zeit lang nach, dann verlässt sie ebenfalls die Bühne.
Pierre Lachaise - 12. Aug, 14:20
Der schöne Mann, den ich dort drüben sehe, verdient eine schöne Frau an seiner Seite. Ich erwarte, dass sie hinter den Bäumen hervortritt, unter denen er auf einer Parkbank platzgenommen hat. Bis sie erschienen ist, bleibt ihm noch Zeit, in einem Buch aus seiner Jackentasche zu blättern. Für diesen Augenblick ist er in Schutz genommen vor der großen Leistung, die die Welt von ihm erwartet, nämlich der schöne Mann einer schönen Frau zu sein. Besäße er seine Schönheit nicht wie einen Mantel, der ihm irgendwann umgehängt wurde, könnte er den Dingen gelassener begegnen – niemand würde einen Anspruch an ihn stellen oder in Gedanken eine passende Ergänzung für ihn suchen. Plötzlich gäbe es etwas Rechtmäßiges, das man ihm vorenthalten könnte Da aber wer nicht schön ist auch nicht immer lieben darf, könnte ihm plötzlich etwas Gewohntes vorenthalten werden. Er weiß nicht, ob ihn das stören würde Ich nehme an, dass ihn das stören würde. Wenn ich der schöne Mann dort drüben wäre, würde ich wohl eine schöne Frau verdienen.
Pierre Lachaise - 30. Jul, 20:39
Nächstes Realseminar, das letzte in diesem Sommersemester. Wegen des Raumes bitte auf den Aushang schauen; wahrscheinlich aber wieder im Computerraum.
Um 20 Uhr dann meine Lesung aus
>>>> Selzers Singen, vierzig Minuten vielleicht, danach Gespräch und gemeinsamer Austrunk des Semesters und Ausblick, weit über die Fernen der Ferien hinweg, auf das kommende.
Auf dann!
ANH
www.albannikolaiherbst.de
Nach der Party blieben wir auf dem Sofa in der Küche liegen. Irgendwer hatte noch Spaghetti gekocht, von denen ich, obwohl mein Magen leer war, nichts herunter bekam bekommen hatte. Das Mädchen aß davon ein Porzellanschälchen voll. Ich holte mir ein Glas Wasser von der Spüle. Ich erzählte dem Mädchen von irgendeinem Roman, den ich läse. Sie habe Mann nie gelesen. Sie liebe Salinger. Ich erzählte, früher gerappt zu haben. Heute rockte ich natürlich, aber schriebe nicht mehr. Ich stellte das Glas ab und nahm die Hand des Mädchens. Ob es Theater möge. Sie sagte: „Manchmal.“ Als die Letzten aufs Zimmer gegangen waren, nahm ich den Kopf des Mädchens. Vielleicht legte ich mich auf sie.
Ich erinnere mich nur noch ans Morgenlicht und daran, dass wir später beide zu Fuß gingen und ins Zentrum mussten. Dass ich an einer Kreuzung, die gerade zu leben begann, das Mädchen umarmte, es sich umdrehte, ging.
[Mir ist klar, dass die Verwendung von es/sie in Bezug auf "Mädchen" problematisch sein kann, weil sich Genus, Sexus und die zugehörigen Personalpronomen überlappen. Der Wechsel ist mir hier aber wichtig. Mich würde interessieren, wie der Leser das wahrnimmt und ob es Rekurrenzprobleme gibt.]
herr_urian - 11. Jul, 20:18